Agglo, my love
04/2021
Es ist ein lauer Mittwochnachmittag. Der Frühling
kündet sich an. Zwei Jugendliche hocken auf einer Sitz-
bank. Der Eine zieht seine Bomberjacke aus. Die Sonne
steht tief. Der Andere spukt auf den Boden. Vor ihren
Füssen hat sich eine kleine Pfütze gebildet. Ein älter-
er Herr überquert gemächlich die Strasse. Sein Hund
trottet ihm hinterher.
Die Zeit scheint still zu stehen in Schlieren und
doch sind schon siebzehn Jahre vergangen, seit ich als
Kind mit meiner Mutter nach Aarau weggezogen bin.
Die Agglo im Herzen tragend, fühlte ich mich fremd
in der neuen Stadt, zwischen Altstadt und Einfamil-
ienhäusern. Mein Vater ist jedoch dortgeblieben und
zog einzig in ein anderes Quartier. Ich entschloss mich
zurückzukehren an den Ort, der mich so geprägt hat.
Die Türen der S 12 schieben sich auf und ehe ich
mich versehe, tauche ich in eine Welt ein, die mir
sowohl komplett vertraut als auch völlig fremd ist. Ich
stehe auf dem Perron und wo mich einst brache Felder
umgaben, stehen nun ganze Blöcke in knalligen Farben
aufgereiht den Bahngleisen entlang. Ich muss an Lego
denken.
Erinnerungsfetzen wehen mir entgegen, als ich
durch mein altes Quartier streife. So scheint sich nichts
zu verändert haben, nur kommt mir mein alter Schul-
weg wie ein Katzensprung vor und der Spielplatz auf
dem Pausenhof war dann halt doch nicht so imposant
wie erwartet. Als ich dann jedoch vor meinem früheren
zu Hause stehe, komme ich ins Staunen. Das Bäum-
chen, das mein Vater im Vorgarten gepflanzt hat, ist zu
einem stolzen Baum herangewachsen. Die Spitze ragt
schon fast zum Dach.
Vor dem Lilienzentrum treffe ich meinen Vater auf
einen Kaffee in der Sonne. Dichtes Treiben herrscht.
Wir beobachten die Szenerie. Ob er die Leute hier noch
kenne, frage ich ihn. Er schüttelt den Kopf. Ich wende
meinen Blick ab. Plötzlich höre ich meinen Namen und
vor mir steht eine gute Freundin aus dem Studium mit
ihrer Mutter. Sie sei auch auf Besuch bei den Eltern,
die auf der anderen Seite der Limmat wohnen. Was
sie denn aber hier mache? Sie zeigt auf den Spezial-
itätenladen auf der anderen Strassenseite und dann
auf ihre gefüllten Einkaufstüten. Wir kommen zu viert
ins Gespräch und fühlt es sich an, wie der freie Mit-
twochnachmittag damals, nur dass es jetzt geschieht.